“Wie groß bist Du!”

 ■ Wer sich für diese Materie interessiert, wird es wohl schon wissen, dass im April 1990 mit Hilfe eines amerikanischen Space Shuttle ein ganz besonderes Weltraumteleskop ins All geschossen wurde. Dieses Teleskop, welchem der Name Hubble gegeben wurde, kreist nun in 96 Minuten und in ungefähr 575 km Höhe um die Erde. Es misst 13,1 Meter in der Länge und 4,3 Meter im Umfang (etwa die Größe eines Busses) und ist 11,6 Tonnen schwer. Das besonders Vorteilhafte an diesem Teleskop im Vergleich zu allen anderen auf der Erde aufgestellten Teleskopen ist, dass es nicht nur das sichtbare Licht, die Ultraviolett- und Infrarotstrahlung wahrnehmen kann, sondern vor allem auch keiner Beeinträchtigung der Sicht durch die Erdatmosphäre unterliegt.
Die volle Leistungsfähigkeit des Hubble wurde nach einer notwendig gewordenen Reparatur im All im Dezember 1993 erreicht. Seitdem liefert dieses Teleskop nicht nur zahlreiche haarscharfe Bilder von den Planeten unseres Sonnensystems, mit seiner Hilfe sind sogar solche Galaxien erkennbar, welche Milliarden von Lichtjahren von der Erde entfernt sind! Und wenn man im Internet nur ein kleinwenig sucht, kommt man in den Genuss von einer Reihe von wunderbaren Bildern, welche da von der NASA und ESA für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Sicht, die da geboten wird, ist atemberaubend und faszinierend!
Sinnt man in der Folge etwas über diese ganze Materie nach, wird einem bewusst, welche gewaltigen Ausmaße unser Weltall besitzt! Die Geschwindigkeit, mit welcher sich das Licht verbreitet, die Lichtgeschwindigkeit, beträgt knapp 300 000 Kilometer pro Sekunde. Dies sind rund 1.000.000.000 km/h (eine Milliarde Kilometer pro Stunde)! Im Vergleich dazu müssen die von Menschen gebauten Raketen, welche die Erdumlaufbahn erreichen sollen, die Geschwindigkeit von ungefähr 28.000 km/h aufbringen (um nämlich die Erdanziehungskraft zu überwinden). Somit ist die Lichtgeschwindigkeit ungefähr 35700 Mal höher als die Geschwindigkeit der bisher existierenden Raketen.
Für die Distanz von der Erde zum Mond braucht das Licht etwas mehr als 1 Sekunde, das Licht der Sonne erreicht die Erde in rund 8 Minuten. Die Sterne, die unserem Sonnensystem am nächsten sind, befinden sich von uns in ungefähr 4,5 Lichtjahren Entfernung. (Ein Lichtjahr ist eben jene Distanz, welche das Licht mit jener unvorstellbaren Geschwindigkeit im Laufe eines Jahres nach unserer Zeitrechnung auf der Erde, also im Lauf von 365 Tagen, zurücklegt.) Das sind gewaltige und kaum vorstellbare Dimensionen!
Und nun erlaubt uns Hubble Einblicke in solche Regionen des Weltalls, welche nicht nur Hunderte oder Tausende, sondern sogar Milliarden von Lichtjahren von der Erde entfernt sind! Da wird es einem bewusst, wie praktisch unendlich groß das Weltall ist - es sprengt komplett unsere Vorstellungs- und Fassungskraft! Dabei legt uns unsere physikalische Konzeption des Raumes nahe, dass der Weltraum keine Grenzen kennt, weil es ja hinter jedem angenommenen oder vorgestellten Ende des Raumes immer noch ein Dahinter geben muss.
Berücksichtigt man diese gewaltigen Ausmaße des Raumes, darf man auch entsprechende Rückschlüsse ziehen auf die Weisheit und die Allmacht des Schöpfers, der alles letztendlich so wunderbar erschaffen und in ein höchst faszinierendes System gefügt hat, in welchem doch alles miteinander in Verbindung steht und auf welche Weise auch immer voneinander abhängt!
Viele der modernen Wissenschaftler wollen mit ihrer Forschung den Beweis dafür erbringen, dass alles ausschließlich natürlich zu erklären sei, dass die gesamte existierende Welt auch ohne die Annahme Gottes als deren Schöpfer interpretiert werden könne. Man sagt, man glaube nicht an Gott, sondern lasse sich nur durch die Ergebnisse der rein wissenschaftlichen Arbeit überzeugen. Interessant aber ist; je mehr Erkenntnisse sie durch ihre Forschung an den Tag bringt, desto mehr Fragen sind dann neu zu stellen, desto komplexer scheint die ganze Welt zu sein, desto mehr Hinweise auf die immense Intelligenz, die unbegreifliche Weisheit und die unvorstellbare Kraft, welche hinter der gesamten Schöpfung stehen, ergeben sich daraus! Auch einem Atheisten muss es dann, wenn er nämlich unvoreingenommen an den ganzen Sachverhalt herangeht und ein gesundes Staunen nicht verlernt hat, umso unwahrscheinlicher vorkommen, dass sich die ganze Welt irgendwie zufällig bzw. aus einer einzigen Zelle entwickelt habe!
Wer dagegen als gläubiger Christ dem wahren und lebendigen Gott in seinem Leben begegnet ist, der Seine unbegreifliche und alles überwältigende göttliche Liebe im Sühneleiden Seines Eingeborenen Sohnes Jesus Christus für die Menschheit an den Tag gelegt bzw. unter Beweis gestellt hat, dem erscheinen die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft, worunter auch die herrlichen Einblicke des Hubble-Teleskops in ferne Galaxien fallen, nur ein Grund mehr zu sein, die Weisheit und Allmacht des Schöpfers zu bewundern und zu preisen, der doch alles nicht nur so wunderbar erschaffen hat, sondern auch ständig im Dasein erhält! Im Schöpfungsbericht der Bibel heißt es zunächst fünf Mal zwischendurch: “Und Gott sah, dass es gut war” (Gen 1,10.12.18.21.25), um am Ende gewissermaßen zusammenfassend festzustellen: “Gott sah alles, was Er gemacht hatte, und fürwahr, es war sehr gut” (Gen 1,31)! Da kann man nur die Strophe eines bekannten christlichen Liedes anstimmen: “Dann jauchzt mein Herz Dir, großer Herrscher, zu - wie groß bist Du, wie groß bist Du!”
■ Diese gewaltigen Ausmaße des Weltalls führen uns dann aber auch vor Augen, wie klein die Erde, wie zerbrechlich der Planet ist, auf welchem wir leben! Dabei geht es uns hier in erster Linie nicht um die Frage nach der Umweltverschmutzung und dem Raubbau an den vorhandenen Naturressourcen dieses unseres Lebensraums. Zunächst müssen wir uns angesichts der unendlichen Weiten des Weltraums in gewisser Hinsicht doch ziemlich verloren im Weltall vorkommen! Auf der einen Seite Entfernungen von Milliarden von Lichtjahren, und auch diese stellen nur einen kleinen Teil des Universums dar. Und auf der anderen Seite eine solche im Zusammenhang des Zusammenwirkens der gewaltigen Maße und Kräfte des Universums zu vernachlässigende Winzigkeit von 12800 km im Durchmesser (das ist nämlich der ungefähre Durchmesser der Erde), dass sie vergleichsweise komplett unbedeutsam ist und somit praktisch gänzlich unbeachtet bleiben kann! Wir stecken irgendwo in einer Ecke des Weltalls und besitzen nicht im Entferntesten den Hauch einer Möglichkeit, wenigstens ein klitzekleinwenig auf das Ganze einzuwirken.
Da wird uns auf eine eindrucksvolle Art und Weise bewusst, wie verschwindend klein doch die Erde ist! Sie ist winziger als ein unsichtbares Staubkörnchen im Vergleich zum Mount Everest, dem höchsten Berg der Erde mit seinen 8848 Metern Höhe. Wie können bei uns, den Erdbewohnern, da überhaupt noch Gedanken des Hochmuts und der Arroganz aufkommen? Sollten wir denn in diesem Zusammenhang nicht eher unserer Unbedeutsamkeit eingedenk sein und jeden Anflug von Überheblichkeit lieber sofort im Keim ersticken? Denn eine jegliche Selbstüberschätzung würde uns ja nur lächerlich machen. Man bedenke, dass die unermesslichen Kräfte des Weltalls uns im Nu zerdrücken könnten - dazu bedürfte es zum Beispiel nur des Einschlages eines einzigen etwas größeren Meteorites auf der Erde...
Umso erstaunlicher ist dann aber, dass der Herrgott, dessen Allmacht bei weitem die unvorstellbare Gewalt des Universums übersteigt und dessen Weisheit durch nichts zu ermessen ist, uns nicht nur nicht vergessen oder im Stich gelassen, sondern sich diesem Seinem armseligen Geschöpf zugewandt und sich uns mitgeteilt hat! Das ist doch das eigentliche und wohl am meisten unbegreifliche Mysterium der menschlichen Existenz, dass wir von Ihm mit Verstand und einem freien Willen ausgestattet worden sind, damit wir Ihn erkennen und uns Ihm zuwenden können. Wie unermesslich groß muss doch Seine Liebe zu uns gewesen sein, dass Er ein vernunftbegabtes Geschöpf erschuf, welches von Ihm dazu berufen wird, Seine Liebe, die sich auch in Seiner gesamten wunderbaren Schöpfung zeigt, zu erkennen und mit der Hingabe des eigenen Herzens zu beantworten!
Man bedenke: auf der einen Seite der ewige und allmächtige Gott und auf der anderen Seite der schwache und sterbliche Mensch. Und dennoch zeigt Er ein solches vitales Interesse an uns, dass Er über die natürliche Ebene der Schöpfung hinausgeht und Sich uns dann sogar in Seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus offenbart! Und Er ist nicht nur Mensch geworden und hat uns Seinen Willen kundgetan, sondern Er entäußerte sich gänzlich, nahm die Sünde der Menschen auf sich und sühnte sie durch Sein stellvertretendes Leiden und Seinen schmachvollen Tod am Kreuz! Mensch, bedenke, welch’ eine ergreifende und alles überwältigende Liebe deines Gottes, dass Er “die Schuldschrift, die uns mit ihrer Anklage belastete, ausgelöscht und vernichtet hat, da Er sie ans Kreuz heftete” (Kol 2,14)!
Gerade während der Fasten- und Passionszeit wollen wir in besonderer Weise dieser Liebe Jesu Christi gedenken und sie beherzigen. Denn hinter allen Seinen Worten, Taten und Wundern, mit welchen Er den Menschen begegnet(e), ist Seine Güte und Barmherzigkeit als Beweggrund zu erblicken. Auch jede einzelne Leidensstation, welche Er zu unserem Heil durchschritt, ist ebenfalls nur durch Seine unendliche Liebe zu uns, dem armen und sündigen Menschengeschlecht, zu erklären und zu verstehen. Wie sehr muss Er uns also geliebt haben, dass Er den Tod wählte, um uns das wahre Leben zu ermöglichen! Man möchte bzw. sollte an dieser Stelle eigentlich für eine Weile innehalten, auf die Knie fallen, das Haupt senken und versuchen, voll Andacht die Wucht dieser Wahrheit bzw. die unendliche Dimension Seiner Liebe im betrachtenden Gebet zu verinnerlichen... Ja, wahrlich: “So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen Eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe” (Joh 3,16).
Man vergesse dabei bitte nicht die Relation, die weiter oben aufgezeigt wurde: wie sehr die unendliche Dimension des Weltalls und die Kräfte, die es zusammenhalten, die extrem bescheidenen Maße der Erde und zumal die der einzelnen menschlichen Existenz übersteigen, so unvorstellbar weit und eigentlich noch viel mehr übersteigt das (unendliche) Ausmaß der Liebe Gottes die Möglichkeiten unseres begrenzten menschlichen Erkenntnisvermögens. So ruft uns der hl. Apostel Paulus mit heiligem Eifer dazu auf, “mit allen Heiligen die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe zu erfassen und die Liebe Christi zu erkennen, die alles Erkennen übersteigt” (Eph 3,18).
Aber diese Liebe des Schöpfers und Erlösers gilt nicht nur der Menschheit als einem Kollektiv - Er wendet sich jedem einzelnen Menschen zu und möchte mit jedem von uns sozusagen auch einzeln eine Art übernatürliche Liebesbeziehung eingehen. So litt und vergoss Er Sein kostbares Blut für jeden einzelnen Menschen, als wäre jeder einzelne von uns, verehrte Leser, die einzige Seele gewesen, für die Er noch den Lösepreis der Erlösung hätte zahlen müssen. Jesus Christus erachtete aus Seiner Sicht eben jeden einzelnen von uns als wert, dass Er für ihn oder für sie von den Hohenpriestern und Pharisäern jämmerlich des Todes für würdig befunden und von Judas schändlich verraten würde, dass Er von den Aposteln verlassen, von Petrus verleugnet und von den Schergen grausam gegeißelt würde, dass Er das schwere Kreuz als Last unserer Sünden auf Seine Schultern übernehmen und es auf Golgotha hinauf tragen würde, dass Er eine spitze Dornenkrone auf Sein Haupt aufsetzen und sich ans Kreuz annageln lassen würde, dass Er am Kreuz furchtbare körperliche wie seelische Schmerzen erleiden und sogar die bittere Gottverlassenheit durchmachen würde... So wiederholen wir die Worte einer Kreuzwegandacht: “Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich, denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die ganze Welt erlöst!”
Es leben zur Zeit weit mehr als sechs Milliarden Menschen auf diesem Planeten Erde. Und trotzdem achtet Er sozusagen auf einen jeden von uns, bringt für jeden einzelnen von uns Zeit auf, sühnt Er die Schuld eines jeden einzelnen von uns - als ob es eben nur diesen jeweils einzelnen von uns geben würde! Für dich, o menschliche Seele, hat somit der Heiland Seine ganze Pein erduldet, dich will Er mit Seiner hingebungsvollen Güte erreichen! Neige deinen störrischen Nacken vor einer solchen sich selbst zu deinem Heil aufopfernden Liebe und versuche zu realisieren, wie groß und herrlich der allmächtige Gott ist, der das unendliche Weltall erschaffen hat, wie unbegreiflich weit Seine Erlöserliebe reicht, die für den Sünder sogar den eigenen Tod bereitwillig in Kauf genommen hat: “Im Namen Jesu sollen sich aller Knie beugen im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Alle Zungen sollen zur Ehre Gottes des Vaters bekennen: Jesus Christus ist der Herr.” (Phil 2,10f)

P. Eugen Rissling

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